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Keine Abluftreinigungsanlage in Hähnchenmastställen zur Vorsorge vor zusätzlichen Bioaerosolen im Einzelfall geboten

Kläger hat Anspruch auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für zwei Hähnchenmastställe ohne die Auflage, zur Vorsorge vor zusätzlichen Bioaerosolen eine Abluftreinigungsanlage (ARA) zu installieren.

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg hat mit Urteil vom 27. September 2017 (5 A 3664/15) den Landkreis Oldenburg verpflichtet, der neuen Betreiberin zweier Hähnchenmastställe eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne die Nebenbestimmung zu erteilen, zur vorsorglichen Reduzierung von Bioaerosolen eine teure ARA einzubauen.

Der Kläger, ein (ehemaliger) Landwirt aus Wardenburg, erhielt bereits im Juni 2010 vom Beklagten die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von zwei Hähnchenmastställen mit 84.900 Plätzen. Im behördlichen Einvernehmen wurden die Ställe errichtet und werden seitdem betrieben. Aus Gründen der Vorsorge vor zusätzlichen Bioaerosolen (luftgetragene Partikel biologischer Herkunft wie etwa Pilze, Bakterien, Viren sowie Endotoxine) für unter anderem ein etwa 250 m entfernt liegendes Wohngebäude forderte der Landkreis den Einbau zertifizierter ARA zur erheblichen Staubreduzierung und zur damit wahrscheinlich auch verbundenen Verminderung zusätzlicher Bioaerosol-Immissionen. Dabei berief er sich auf ein durch Studien und technische Handreichungen belegtes Gesundheitsgefährdungspotenzial, hielt Vorsorgeanordnungen wegen des hohen Schutzgutes bereits bei bloßem Gefahrenverdacht für möglich und die geforderte ARA trotz der hohen Kosten für verhältnismäßig.

Der Kläger unterließ den Einbau vorerst und klagt seit längerem auf Erteilung der Genehmigung ohne die beanstandete Nebenbestimmung.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage (erneut, s. Urteil vom 6. Februar 2013 - 5 A 4052/12 -) stattgegeben. Zur Begründung führte es aus, die Nebenbestimmung sei weder zur Gefahrenabwehr noch aus Vorsorgegründen gerechtfertigt und daher unverhältnismäßig. In der Hähnchenmast seien derartige ARA weder zur Staubreduzierung noch im Hinblick auf eine Verminderung von zusätzlichen Bioaerosolen als Stand der Technik anzusehen. Ein erhebliches Besorgnispotenzial durch zusätzliche Bioaerosole für Vorsorgemaßnahmen über dem Stand der Technik lasse sich jedenfalls hier sicher ausschließen, so dass der geforderte Einbau und Betrieb einer ARA angesichts der hohen Kosten und des noch ungeklärten Nutzens unverhältnismäßig sei. Das Gericht habe nach erfolgreicher Revision des Landkreises vor dem Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 23. Juli 2015 – 7 C 10.13 –) ein aufwendiges Sachverständigengutachten u. a. zu der Frage eingeholt, ob eine relevante Bioaerosol-Zusatzbelastung von Wohngrundstücken, etwa in einer Entfernung von 250 m, durch den Betrieb der Hähnchenmastanlage ohne ARA ausgeschlossen werden könne. Der Gutachter sei nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass dies unter Beachtung verschiedener Parameter der Fall sei. Bei der im streitigen Fall möglichen Gewährleistung einer sogenannten Abluftfahnenüberhöhung (kontinuierliche Abluftgeschwindigkeit der Stallluft von mindestens 7 m/s), einer Nachtabsenkung (6 Stunden pro Tag) auf 10 % der Tagesemissionen und einer realistischen Korngrößenverteilung der Stäube, an denen die Bioaerosole anhafteten, falle das verbleibende Besorgnispotenzial für die angrenzende Wohnbebauung sehr gering aus. Denn für den maßgeblichen Leitparameter (Staphylokokken) liege der dort ermittelte Wert weit unterhalb des aus einschlägigen technischen Handreichungen abzuleitenden Betrachtungswertes.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann der Beklagte bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.09.2017

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